Rai-Breitenbach - Ev. Kirche

Fotos: Stadtarchiv Breuberg; Uwe Hendgen, Breuberg-Neustadt

Das Breuberger Land wurde zu Beginn des 16. Jahrhunderts von dem Grafen von Wertheim regiert, die auch das Recht hatten, Pfarrstellen in ihrem Herrschaftsgebiet zu besetzen.

Raibach war in vorreformatorischer Zeit eine selbstständige Pfarrkirche, wo verschiedene Adelige das Pfarrbesetzungsrecht ausübten. Graf Michael II. von Wertheim bezeichnet sich 1498 als Lehnsherr dieser Kirche und veranlasst mittels eines Kollektenaufrufs die Reparatur des alten Kirchengebäudes, das einen neuen Chor und Vorgehäuse erhalten soll.

Graf Michael II. konnte die begonnene Reformation in seinem Herrschaftsgebiet nicht zu Ende führen, da er 1531 starb. Sein Sohn, Graf Michael III. – erst zweijährig – konnte die Regierung nicht übernehmen. An seiner statt übernahm diese seine Mutter Barbara, die die Reformation vorantrieb und diese 1537 per Mandat in der Herrschaft Breuberg einführte. Johann Specklin wird 1537 als Pfarrer von Raibach genannt. Bereits 1550 wird Raibach nach der Pfarreirechnung als Filiale von Sandbach geführt.

Mit der Kirche zu Rai-Breitenbach steht eines der ältesten Kirchengebäude des Breuberger Landes vor uns: Die erste Erwähnung Raibachs stammt aus dem späten 8. Jahrhundert. In der Folgezeit, vor allem aber seit Mitte des 14. Jahrhunderts sind etliche Quellen erhalten, die Auskunft über die Besetzung der Pfarrstelle geben, über das Kirchengebäude an sich erfahren wir nichts.

Das rechteckige Kirchenschiff stößt im Osten auf den romanischen Triumphbogen, der einen kräftigen Kämpfer aufweist. Der Triumphbogen gibt den Blick zum Chor frei, der erhöht ist und einen geraden Schluss hat. Die zum Teil hohen Stufen folgen dem Gelände, die Kirche ist am Hang erbaut. Die Form des Gebäudes stammt aus dem 13. Jahrhundert und wurde zu Beginn des 16. Jahrhunderts leicht verändert.

In einem Schreiben des Grafen Michael II. aus dem Jahr 1498 erfahren wir von einer Erweiterung des Chores. Gleichzeitig berichtet die Urkunde, dass die Kirchenpatrone die hll. Jakob, Ulrich und Bartholomäus sind sowie auf „dem neuen Altar Unser lieben Frau und Sankt Wolfgang mitsamt anderen guten Heiligen geweiht, etlicher Maße baufällig ist.“

Mit der Chorerweiterung nach Osten und der Beibehaltung des alten Altares ist dieser nun freistehend. Der neue Chor erhält zu Beginn des 16. Jahrhunderts eine szenische Ausmalung, die das Leben Christi von der Verkündigung bis zur Grablegung thematisiert. Des Weiteren sind in der Fensterlaibung des Chorfensters auf der linken Seite der hl. Ulrich (Bischof) und auf der rechten Seite der hl. Jakob (Apostel) zu sehen. An der nördlichen Innenwand des Chores ist eine Sakramentsnische in die Wand eingelassen. Neben der Nische zum Triumphbogen hin ist eine weitere rundbogige Nische ins Mauerwerk eingelassen. Auf der Südseite befindet sich in einer Nische ein kleines Steinbecken, eine sog. Piscina, zum Ablauf des für rituelle Handwaschungen gebrauchten Wassers.

Im 30jährigen Krieg, 1637, wurde die Kirche durch Brand stark beschädigt und wohl danach in den 1680er Jahren notdürftig wiederhergerichtet. Die Empore und weitere Innenausstattung, wie die Kanzel stammt aus dem 18. Jahrhundert. Während dieser Zeit dürften auch die großen Fenster angelegt worden sein. 1776 erhielt die Kirche einen Turm.

Im Jahre 1803 wird die Kirche wegen Baufälligkeit aufgegeben und in den 1830er Jahren wiederhergestellt. Dabei wird das Bild des hl. Bartholomäus entfernt und nach Bayern verkauft. Der Graf von Erbach-Schönberg stiftet 1869 eine Orgel, die allerdings nach dem Ersten Weltkrieg infolge der Feuchtigkeit bereits unbrauchbar geworden war.

Eine umfangreiche Renovierung fand in den 1920er Jahren statt. Die letzte aufwendige Renovierung wurde 1987 beendet, bei der die alten Wandmalereien freigelegt wurden. Das schlichte romanische Taufbecken steht nun an der Nordostwand des Schiffes.

 

©Jutta Reisinger-Weber


Die Wandmalereien

Als 1498 der Chor der Kirche erweitert wurde und der Chorraum mit dem alten Altar in der Mitte eine ganz neue Raumwirkung erhielt, wurde dieser auch neu gestaltet.

Es bot sich an, im unteren Bereich einen Wandbehang an die Wand zu malen. Die darüber liegende Zone konnte dann szenisch gestaltet werden. Hier entstand in sechs Szenen das Leben Jesu. Zwei Darstellungen sind der Geburt Jesu im Stall und dem Besuch der hl. Drei Könige (Weisen) aus dem Morgenland gewidmet.

An der Ostseite des Chores setzt sich die Lebensgeschichte Jesu rechts und links des schlichten Fensters fort mit Kreuztragung und Kreuzigung. An der Südseite ist die Kreuzabnahme sowie die Grablegung erkennbar.

Die Laibung des Chorfensters zeigt auf der linken Seite den hl. Ulrich und auf der rechten Seite den Apostel Jakobus den Älteren. Die beiden Heiligendarstellungen verweisen auf die Patrone der Kirche, die den hll. Ulrich, Jakobus und Bartholomäus gewidmet war.

 

©Jutta Reisinger-Weber

 

Benutzte Literatur:

Wilhelm Diehl, Baubuch für die evangelischen Pfarreien der Souveränitätslande und der aquirierten Gebiete, Hassia sacra VIII, Darmstadt 1935, S. 127-129.

Hermann Ehmer, Die Grafen von Wertheim und die Reformation der Herrschaft Breuberg. In: Kirchen im Breuberger Land. Rai-Breitenbach, mit Beiträgen von Hermann Ehmer, Thomas Geibel, und Rainer Georg Hofmann, hg. im Auftrag des Höchster Klosterfonds von Pfarrer Thomas Geibel, Höchst 1989, S. 9-35.

Hermann Ehmer, Thomas Geibel, Quellen zur Geschichte der Kirche von Rai-Breitenbach. In: Kirchen im Breuberger Land, Höchst 1989, S. 62-98.